Sigiriya

In einem Überlandbus rasten wir Sigiriya entgegen. Fast durchgehend befanden wir uns auf der Überholspur. Wobei die Überholspur die Gegenfahrbahn war. Der Ablauf war ungefähr so: 

Der Fahrer drückt zwei, drei Mal auf das Signalhorn, schert aus, überholt ein, zwei, drei Fahrzeuge und falls ein anderes Gefährt entgegenkommt, wird nochmals das Signalhorn gedrückt, etwas länger und nachdrücklicher und dann wird das Fahrzeug, das gerade überholt wird, einfach zur Seite gedrängt und der Entgegenkommende reduziert die Geschwindigkeit und fährt auf den äußersten Rand. Als größtes Tier auf der Landstraße wird der Bus von allen gefürchtet. Selbst von den dicken SUVs. 

Ob das aufregend oder beängstigend ist? Nicht die Bohne!

Der Busfahrer war auf der ganzen fahrt unglaublich entspannt, kaute genüsslich auf seiner Betelnuss, spukte hin und wieder aus dem Fenster, wechselte ab und an den Musiksender und quatschte angeregt mit dem Ticketkontrolleur. Diese Entspanntheit war ansteckend und entkrampfte ungemein. So kam es, dass man mit vollkommen entspanntem Gesichtsausdruck, von einem möglichen Frontalzusammenstoß zum nächsten blickte. Eva entwickelte auf der Fahrt die These, dass die Straßen in Sri Lanka aus Gummi seien und sich bei Bedarf einfach etwas dehnen konnten. Denn wie konnte es sonst  sein, dass Tuk-Tuk und Buss eineinhalb Spuren einnahmen und der PKW und das Motorrad ebenfalls eineinhalb Spuren? Da muss sich wie von Zauberhand die zweispurige Straße für einen Moment in eine dreispurige gedehnt haben. Anders wäre es nicht zu erklären gewesen. 

Natürlich kamen wir happy, relaxed und unbeschadet an. 

Die Unterkunft in Sigiriya war schön. Sie hatte den wohlklingenden Namen Sigiriya Lion Lodge. Dabei handelte es sich um zwei zweistöckige Appartementhäuser, die von einer wunderbaren Gastfamilie betreut wurden. Gäste waren, außer uns, zunächst keine da. Später eine Familie aus Slowenien und eine aus irgendwoher.

Nach Sigiriya fährt man übrigens wegen des Lion Rocks. Das ist ein riesiger Felsbrocken, der  wie ein paar andere in der Umgebung einfach so in der Landschaft liegt, nachdem er vor ein paar tausend Jahren von einem Vulkan ausgespuckt wurde. Viele, viele Jahre später hat auf diesen Felsen ein König eine Festung gebaut und noch früher haben sich in den Höhlen des Felsens buddhistische Asketen und Mönche zurückgezogen. Neben den Festungsresten, den Höhlen sind auch noch antike Felszeichnungen zu finden, von denen niemand so genau weiß, wie und warum sie entstanden sind. Dies alles kann man aber in jeden beliebigen Sri Lanka Reiseführer nachlesen, denn der Lion Rock ist eines der Sri Lanka Highlights und die Besteigung gehört quasi zum Pflichtprogramm. Das weiß natürlich auch der staatliche Fremdenverkehrsverband oder wer auch immer diese Stätte betreut und lässt sich das Spektakel auch königlich vergüten. Der Eintritt kostet dreißig Dollar. Der etwas kleinere Felsen daneben, an dessen Fuß sich ein Kloster befindet und ungefähr in dessen Mitte ein mächtiger Buddha liegt, geht etwas günstiger her. Umgerechnet drei Euro.

Eine neue Form der Unabhängigkeit erreichten wir am ersten Tag, durch die Fahrrädern, die man sich in der Lion Lodge ausborgen kann. Und so radelten wir bald nach der Ankunft ohne Tuk-Tuk, ohne Guide, zunächst zum Lions Rock und  rundherum und entschieden uns, morgen zunächst mit dem anderen Felsen, den kleineren, den Pidurangala zu beginnen. So geschah es dann auch. Spät morgens kamen wir dort an, zahlten unsere drei Euro, bekamen die Eintrittskarte, die gleichzeitig ein kleiner Infofolder war, mit einer knappen Wegbeschreibung. So gingen wir durch die Klosteranlage und lasen nebenbei was auf dem Folder stand:

Bis zur Hälfte, bis zum liegenden Buddha, ist der Aufstieg einfach. Es geht in Stufen hinauf, es ist steil und anstrengend, aber nicht zu sehr und man soll genug Wasser mitnehmen. Alles soweit klar. Ab der Buddha Statue jedoch, ist der Weg nicht mehr markiert, dafür schwierig und steil. Ohne Guide lässt man besser die Beine von diesem Weg! 

Nicht gerade ermutigt stiegen wir also die ersten Stufen hinauf, Stufe für Stufe immer weiter, keuchten und schnauften und spürten den Preis für das tropisch feuchte Klima. Nach gut hundert Meter war das Shirt durchgeschwitzt, dann kurze Pause, Wasser trinken und weiter Stufe für Stufe hinauf. Jedoch waren wir nicht allein. Vor und hinter uns wurde ebenfalls gekeucht, geschwitzt und gestiegen. Kinder, Familien, Jugendliche und schon etwas Betagtere und ältere Frauen und Männer klettern Stufe für Stufe Richtung Statue. Und immer wieder kamen uns ganze Kolonnen gut gelaunter Menschen entgegen. Es wurde genickt, gegrüßt, nach unserer Herkunft erkundigt und zu verstehen geben, dass dieses Stufensteigen wirklich mühsam ist. Es dauerte nicht lange, da tauchten erste Mauerreste im einem großen Felsvorsprung auf, wahrscheinlich Parzellen in denen sich Einsiedler oder Mönche zurückgezogen hatten, um zu meditieren. Knapp darauf zeigte sich auch schon der liegende Buddha. Alles halb so schlimm und der Ausblick von dieser Kanzel war wirklich großartig! Nichts als Dschungel und am Horizont ein paar bewaldete Hügel. Innerlich war ich eher auf Umkehren eingestellt, jedoch der  Weg ging weiter, Menschen überholten uns und uns kamen auch ständig Menschen entgegen. Alt, jung, dick, dünn und selbstverständlich in Plastikschlapfen - dem Universalschuhwerk der Tropen. Kann es sein, dass es möglich war, ganz auf den Felsen zu steigen? Selbst die Familie, die wir am Vorabenden im Restaurant kennengelernt hatten, kam uns freudig winkend entgegen. Wir schöpfen neuen Mut, denn der Weg war soweit okay, es war ein schmaler Pfad, zwar ein steiniger Pfad mit Felsbrocken dazwischen, an denen man zuweilen emporklettern musste, aber es war zu schaffen und ansonsten schlängelte er sich an der Felswand entlang, schön im Schatten von Bäumen und Sträuchern, immer weiter hinauf. Unsere Motivation stieg. Wir überholten Eltern mit ihren Kleinkinder die nach oben stolperten und gehoben wurden, Menschen die bestimmt die 80 überschritten hatten und Schritt für Schritt gezogen und geschoben wurden, gaben uns lächelnd zu verstehen, dass sie ebenfalls, langsam aber bestimmt, eines Tages oben ankommen werden. Bei etwas schwierigeren Stellen staute es sich zuweilen und von oben kamen Hinweise über die besten Routen und Schritte und so kam es, dass es irgendwie auch alle nach oben schafften. Früher oder später sahen wir sie alle, selbst die Betagtesten, oben auf dem Felsplateau herumspazieren und freudig die Aussicht genießen. Vom Pidurangala sah man übrigens auch wunderbar auf den Lions Rock. Ein paar hundert Meter entfernt ragte er in die Landschaft und wenn man genau schaute, konnte man erkennen, wie sich aberdutzende Menschen über unzählige Stufen auch auf diesen Felsen hinauf quälten. 

Nach einiger Zeit machten wir uns auf den Rückweg und irgendwann beim Abstieg kam der Entschluss zustande, dass morgen der Lions Rock erklommen wird. 

Am nächsten Morgen erwachten wir rechtzeitig, aber es regnete. Wir frühstückten und es regnete in Strömen, so dass man glauben konnte, es würde bald aufhören. Der Gastgeber machte jedoch einen Gesichtsausdruck, als vermute er, wahrscheinlich wusste er sogar, dass dieser Regen nicht so bald aufhören würde. Gegen Mittag regnete es immer noch in Strömen. Knapp danach hörte es auf, jedoch nur für kurze Zeit, dann regnete es wieder - mal heftiger, dann etwas weniger heftig, dann stark, sehr stark und zwischendurch regnete es einfach so dahin. Es trommelte den ganzen Tag auf das Blechdach und wir saßen entspannt in der Unterkunft, lasen, schrieben und genossen es, einfach nichts zu tun. Am späten Nachmittag ließ der Regen etwas nach, wir gingen zum Restaurant um die Ecke und sahen von der Terrasse weiter zu, wie der Regen wieder heftiger wurde und die Menschen durch den Regen stapften und fuhren. Am nächsten Morgen war wieder Sonnenschein und wir fuhren, nach einem kurzen Abstecher zu den Höhlentempeln von Dambulla, weiter nach Kandy.

So kam es, dass wir zwar in Sigiriya waren, aber dennoch nicht auf dem Lions Rock.

Die Höhlentempel in Dambulla sind all jenen ans Herz gelegt, die noch nie eine Buddha-Statue gesehen haben. Nach dem Besuch hat man gleich ein paar Hundert gesehen. Dambulla hat unseren Bedarf an Buddha-Statuen gedeckt, nachhaltig .


Sigiriya


Eine keine Fortbewegung-im-Regen-Studie