Galle

Galle war ein Tagesausflug. Benennen wir es so, wie es war. Ein Tag in einem der Toporte (laut Reiseführer) von Sri Lanka. Die Stadt liegt an der südwestlichen Spitze der Insel. Von Ambalangoda waren es mit dem Zug eine gute halbe Stunde. Wie das ganze Zugfahren funktioniert, also wo wir einsteigen sollten, hat uns ein freundlicher Goldschmied erklärt, den wir am Bahnsteig kennengelernten. Er war auch unserer Begleiter und Gesprächspartner während der ganzen Zugfahrt und erklärte uns nicht nur das Geheimnis der  Schauminen, bei denen man kostbare Edelsteine erstehen kann, beziehungsweise verriet er uns wo diese die Edelsteine kaufen um sie dann teurer an Tourist:innen zu verkaufen, sondern welche Orte und Plätze wir uns in Galle unbedingt ansehen müssen. (Es waren ungefähr auch jene die im Reiseführer standen.)

Beim Bahnhof verabschiedeten wir einander freudig und da er wirklich ein hilfsbereiter Mensch war und nicht wollte, dass wir die die Hände von Betrüger Tuk-Tuk-Touristenfahrer gerierten, sprach er vor dem Bahnhof gleichmal einen staatliche geprüften Tuk-Tuk-Fahrer an, der sich auch sofort bereit erklärte für 25 Dollar eine mit Highlights gespickte Tour mit uns zu machen. 

Jetzt muss folgendes erwähnt werden: Dieser Galle Ausflug war unser erster Ausflug, der von uns ganz selbständig durchgeführt wurde, ganz ohne Guide, ohne jemanden, der uns sagte - was, wo und warum und diese Autonomie und Freiheit war uns gerade sehr wichtig. Daher unser Unwille diese Tour zu machen. Wir überlegten, der Tuk-Tuk-Fahrer redete auf uns ein, wir beratschlagen, er präsentierte uns ein Prospekt mit den Highlights der Tour, wir  zögerten, er war bereit und hoffte sichtlich auf das Geschäft. Schlussendlich lehnten wir ab. Wir lehnten auch den anderen zehn Fahrern, die uns in den folgenden 45 Sekunden ansprachen, ab und bewegten uns schnellen Schrittes vom Bahnhof weg. Und plötzlich: Nichts, niemand sprach uns mehr an und wir spazierten so wie alle anderen auch, ganz so als wäre wir schon immer hier und nicht erst seit drei Wochen und wir wären einfach ein winzig Teil der Menschheit, zwei, die wie aus Zufall durch Galle spazierten, mit dem einzigen Unterschied, dass wir ständig von allen möglichen Leuten angelächelt und gegrüßt wurden. Vielleicht lag dies aber auch daran, dass wir durch den neuen Teil der Stadt spazierten, durch den eigentlich keine Tourist:innen gehen, da er einfach nicht die Attraktion ist. Die ist nämlich der alte Stadtteil. 

Hinzugefügt werden muss: Es war heiß oder sogar eher schwül-heiß. Nach den ersten Metern klebte bereits alles am Körper, wir schwitzen und stolperten durch die Gassen voller Menschen, Autos und Tuk-Tuks. Da wir als gelernte Wiener:innen gerne Kaffee trinken und  wir in Sri Lanka bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Kaffee trinken waren, gingen wir in ein Cafe oder besser in einem Imbiss-Lokal  und bestellten einen Kaffee. Er schmeckte, wie soll man es beschreiben, etwas lau, so als wäre ein Kaffeebeutel für eine kurze Zeit reingehängt worden. Aber selber Schuld. Sri Lanka ist ja nicht für Kaffee berühmt, sondern für Tee! Hätten wir wissen können. Gut. Wir spazierten nach dem Kaffee weiter, von irgendwo nach irgendwohin schlenderten wir durch die Gegend, über eine Brücke die über die Bahngleise führte, vorbei an einer Schule, einer Kirche, einem hinduistischen Tempel und nach zirka einer Stunde entschieden wir, uns schließlich, doch auch ins touristische Herz von Galle zu begeben. Dem Galle-Fort. Die Richtung wussten wir und so bewegten wir uns auf das Fort zu, schwitzend und langsam und darauf bedacht, nur im Schatten zu gehen. An einer Ecke sprach uns eine Fahrer an, wir lehnten jedoch ab. Wir meinten nur: Wir gehen lieber. Er erwiderte: but it's hot. Da hatte er recht. Es war verdammt schwül, es war verdammt heiß. Wir blickten einander kurz an und stiegen ins Tuk-Tuk. Fünf Minuten später standen wir beim Leuchtturm im Galle-Fort. 

Was ist nun dieses Fort?

Was wir im Reiseführer gelesen haben und soweit die Erinnerung stimmt, hatten dieses Fort die Holländer, irgendwann im 17. Jahrhundert gebaut, nachdem sie die Portugiesen von Sri Lanka vertrieben hatten, um selbst vom guten Geschäft mit den Gewürzen von der Insel zu profitieren. Galle war damals eine ihrer  Hauptbefestigungen. Von hier holten die Niederländische-Ostindien-Kompanie, eine der mächtigsten Kapitalgesellschaften ihrer Zeit, die Güter von der Insel und verschifften sie zurück nach Europa. Militärisch abgesicherter Handel, sowohl gegen die europäische Konkurrenz, als auch um den Einfluss gegenüber den Herrschern und Königreiche der Insel zu gewährleisten. So sah die frühe Form des Kolonialismus aus. Die Architektur spiegelt es großartig wider. Das Fort ist ein großer Befestigungsring entlang einer vorgelagerten kleinen Halbinsel, mit zwei, drei Tore zum Landesinnere, einem Hafen, einigen Türmchen, vielen Kanonen und Schießarten auf der Festungsmauer und drinnen eine Gewirr an Gässchen, mit schnucken und verfallenen Häuschen im Kolonialstil, einige Kirchen und eben auch ein Leuchtturm. Schmuck, heimelig und sicher. In diesem historischen Stadtteil befinden sich heute unzählige Juweliergeschäfte mit feinsten Ringen und Ketten mit Saphiren, Rubinen und Mondsteinen. Dieses Business wird traditionellerweise von der muslimischen Bevölkerung betrieben, die einst vor vielen Jahrhunderten aus dem arabischen Raum eingewanderte, daher, so wurde uns geraten, sollte man Galle-Fort auch nicht am Freitag besuchen. 

Im Fort besuchten wir zunächst eine kleine Bucht mit dem Strand, in dem Familien mit ihren Kindern planschen und die die Atmosphäre eines tropischen Gänsehäufl verströmte. Später spazierten wir die Festungsmauer entlang, bis wir nach ein paar hundert Meter bemerkten, dass dies bei dieser Hitze wenig Sinn macht. Wir kauften uns einen Kokosnuss, die wir mit zwei Strohhalmen tranken, und beobachteten einen Mann, der eine  Boa um seine Schulter trug und einen niederen Korb neben sich stehen hatte. Als sich ihm zwei junge Touristen näherten, öffnete er kurz den Deckel des Korbes, eine Kobra schnellte empor, er schnell den Deckel wieder drauf und zu den zwei erstaunten Touristen, die gerade ihre Handys auf ihn hielten, meint er nur: "1000 Rupie und ihr könnte sie länger sehen". Die beiden lehnten ab und gingen des Weges.

Wir schlenderten weiter durch die Gässchen, fanden ein urfeines Wienes Kaffeehaus und tranken einen kleinen Braunen….  das war ein Scherz….  aber, mit einem wahren Kern. Wir fanden wirklich ein sehr feines Cafe-Restaurant, mit kleiner Terrasse, einem Kleider und Krims-Krams-Shop, ein Plakat an der Wand verkündete, dass hier auch ein Storyteller gebucht werden könne und der Betreiber war ein sehr warmherziger, älterer Herr. Es nannte sich das Royal-Dutch-Cafe und dort gab es den besten Eiskaffee, den wir je in unserem Leben  getrunken hatten. Es handelte sich um den Spicy-Eiskaffee mit Kardamom, Zimtstangen und vielen anderen Gewürzen. Dort verbrachten wir fast den restlichen Nachmittag mit Plaudern, mehrere Eiskaffee trinken, Essen und shoppen. Der Mann erzählte uns, dass er früher als Journalist arbeitete und in genau diesem Haus geboren und aufgewachsen wäre. Ein ganzes Leben in dieser Schmuckkassette Galle-Fort. Jetzt schreibe er nur selten, dafür mache er Führungen durch das Fort und er wäre auch der Storyteller. Leider konnten wir keine seiner Geschichten hören, aber falls jemand einmal zufällig in das Royal-Dutch-Cafe kommen sollte, wir würden den Storytellerabend ungeprüft empfehlen und den Eiskaffee sowieso. 

Was dann geschah, ist jetzt nicht mehr ganz sooo interessant und nebenbei schnell erzählt:

Wir spazierten noch etwas herum, übersahen fast die Zeit, fuhren mit dem Tuk-Tuk zum Bahnhof, kamen gerade noch rechtzeitig an, der Zug fuhr dann aber doch eine Stunde später ab, wir waren also viel zu früh dort und kamen schließlich gegen Abend in Ambalangoda an. Dort wurden wir von “unserem” Tuk-Tuk-Fahrer* bereits erwartet und er brachte uns glücklich und zufrieden wieder in unser Ressort zurück.


* “unser” Tuk-Tuk-Fahrer: Das wäre eigentlich eine eigene Geschichte, die wir aber zum Teil in einer Reportage bereits erzählt haben. Die Reportage haben wir an die Presse verkauft, sie wird aber auch noch den Weg auf den Blog finden. Nur soviel: Wir haben u.a. mit Anuranga, einem Tuk-Tuk-Fahrer, ein Interview gemacht und Anuranga war seitdem unser Tuk-Tuk-Fahrer des Vertrauens