Ella ist ein kleines Bergdorf - wenn man das so sagen kann - in den Sri Lanka Mountains, sozusagen. Bergregenwälder und jede Menge Teeplantagen. Auf Wikipedia steht, dass dort gut 45.000 Menschen leben und der Ort auf 1.000 Metern liegt. Das mag alles stimmen, wir haben weder nachgezählt noch nachgemessen. Aber was haben wir dann getan?
In Ella haben wir das gemacht, was alle Individualtourist:innen so machen. Wir wanderten. Zunächst auf den kleinen Adams Peak und dann am nächsten Tag auf den Ellas Rock. Waren wir bisher mit Auto und Fahrer, also einem Guide unterwegs, so waren wir nun ganz auf uns allein gestellt. Und das sollte auch bei der Besteigungen des Ellas Rock so bleiben. Deshalb haben wir uns am Vortag im Internet schlau gemacht und diverse Seiten durchforstet. Eine verspricht: How to climb Ella's Rock without a guide. Und tatsächlich, auf der Seite wird der Weg gut erklärt und beschrieben, er beginnt beim Bahnhof Ella, führt die Geleise entlang, bei Kilometer soundso heisst es links abbiegen Richtung Teeplantagen, später nochmals links, dann rechts und so weiter. Alles soweit gut, klar und kein Problem. Wir jedoch starteten nicht beim Bahnhof, sondern in der Waterfall-Road, die nach einer kleinen Bergkuppe auf die Gleise stoßen und dann entlang der Gleise führen sollte. Das funktioniert zunächst auch prima, wir gingen über die Kuppe, sahen die Gleise, gingen kurz neben den Gleisen entlang, wir wollten aber nicht sofort rauf, da wir wussten, dass die nächste Bahn in wenigen Minuten kommen würde und wir ihr nicht unbedingt auf den Gleisen begegnen wollten, also gingen wir weiter nebenan her, doch dann zog die Straßen ein paar Kurven und führte schließlich immer weiter von den Gleisen weg und schlussendlich landet wir, die einfach fröhlich die Waterfall-Road entlang liefen in der Garage von einem Haus. Die Waterfall-Road führt also nicht zum Wasserfall, der am Fuße des Ella's Rock liegt und auf der gegenüberliegenden Seite des Hangs, sondern hier in der Garage neben einem Einfamilienhaus. Glück im Unglück, wie so oft im Leben, springt in dem Moment ein Mann vom anliegenden Feld herauf und fragt uns zurecht, wohin wir denn wollen. Ich sagte zunächst zum Wasserfall, was nicht ganz stimmte und dann sagte ich, dass wir zum Ella's Rock wollen. Warum auch lügen. Während wir hörten, wie hundert Meter über uns der Zug vorbei fuhr - jedoch war kein Weg zu den Gleisen ersichtlich - führte uns der Guide auf einem Wegelchen durch die Felder hinunter, entlang zwischen Parzellen, er grüßte links und rechts andere Bäuer:innen, dann stiegen wir einen kleinen Kanal entlang, später klätterten wir auf einem Steig zwischen hohe Sträuchern oder Gräsern hinauf, hinauf auf die andere Hangseite, hinter der der Wasserfall zu vermuten war. Wobei Wasserfall? Wer will eigentlich zum Wasserfall, das war nur so gesagt, um zur anderen Seite zu kommen, um dann endlich auf den Weg zum Ella's Rock zu gelangen. Ella's Rock dazu meinte unser Guide nur: “Das wird schwierig. Da gibt es so viele Wege und überhaupt ist der Weg sehr steil, wahnsinnig steil und es gibt so viele Wege. Wer sich hier nicht auskennt, geht verloren!”
Hier muss gesagt werden, dass auf den Blogs durchweg vor den Guides gewarnt wird. Sie führen einen zu den falschen Stellen, sagen falsche Wege an, um dann ihre Hilfe anzubieten und so weiter. Diese Form der Guides, so war man sich in den Blogs einig, auf keinen Fall vertrauen. Davon lass die Finger! Unser Guide führte uns tatsächlich über steile und lehmige Wege einen Hang hinauf, von dem man auf den Wasserfall sehen konnte, also an den gewünschten Ort. Wasserfall hatten wir gesagt und den Wasserfall sahen wir nun. Jedoch nicht von unten, sondern von gleicher Höhe des herabfallenden Wassers. Es ging jedoch weiter, über einen überwucherten Lehmweg hinauf und dann standen wir plötzlich auf den Gleisen. Wir hatten unsere kleine Talmulde durchquert und waren nun unverhofft wieder auf dem richtigen Weg gelandet. Wir bedankten uns bei dem Mann, lehnten sein Angebot uns zur wunderbaren Teeplantagen und sonst noch wohin zu führen ab und gaben ihm ein Trinkgeld für seine Dienste. Der restliche Weg verlief mehr oder weniger so, wie auf dem Blog beschrieben. Wir wanderten noch ein paar hundert Meter die Gleise entlang - was wir nicht als einzige machten, sondern wir begegneten auf dem Weg einigen Menschen, Schulkindern, jungen Männern und älteren Frauen, und bogen dann in die Teeplantagen ab, erwischten alle weiteren Abzweigungen so wie beschrieben, mit vielleicht ein, zwei kleinen Ausreißern, folgten einem anderen Touristenpaar hinterher und hantelten uns schließlich von einer Kokosnuss-Getränkestation zur anderen Fruchtsaft-Getränkestationen entlang, beziehungsweise schleppten uns dem steilen Steig empor, erwischten durch Zufall die noch steilere Abkürzung und waren nach insgesamt zweieinhalb Stunden oben. Mit dutzenden Anderen standen wir glücklich am Ella's Rock. Im vollen Bewusstsein: das ist keine Kleinigkeit. Um nicht nur doofe Selfies von diesem Moment zu haben, boten Tourengruppen und Touristenpaare gegenseitig ihre Fotografierdienstleistung an. Mutige posierten am Bäumchen am Ende des Felsens direkt vor dem Abgrund. Ein Bilck von der Kante bestätigte: ein paar hundert Meter geht es da schon runter.
Insgesamt befindet man sich auf zirka 1.400 Meter und bei gutem Wetter hat man einen wunderbaren Ausblick, der bis zum Meer reicht. Wir sahen manchmal über ein paar Bergrücken in eine dahinter liegende Ebene mit Seen, manchmal nur ein paar Meter, da sich breite Wolkenbänder durch das Tal schoben. Beim zweiten Aussichtspunkt waren wir allein. In einer großen Felsnische sitzt ein meditierender Buddha und Schwindelfreie können sich ein paar Meter weiter auf einen Felsen legen und in die Luft schauen oder hinunter. Ganz nach dem Motto: Entspannen am Rande des Abgrunds. Hinunter gingen wir einen anderen, längeren und weniger steilen Weg, bis wir zum Ausgangspunkt der Steigung kamen und an der Saftstation Rast machten. Schon beim Raufgehen hatte er uns angesprochen und dieses Mal machten wir halt. Er erklärte uns voller Stolz, dass der Fruchtsaft nicht nur aus drei verschiedenen Früchten bestehen würde, sondern auch garantiert ohne Zucker sei. Dann erzählte er uns von seinem einsamen Kampf auf der Insel für zuckerlose Fruchtsäfte: "Ich hatte einmal einen Fruchtsaft bestellt”, ich glaube er erwähnte einen Papayasaft “und hatte extra dazu gesagt, aber ohne Zucker. Ich habe sogar angeboten mehr zu bezahlen. Während sie den Saft zubereitet haben, tat ich, als würde ich ein Selfie machen, um sie zu beobachten. Und tatsächlich gab der Typ Zucker hinein. Ich sagte dann den trink’ ich nicht und ging zum nächsten Stand, bestellte wieder Fruchtsaft ohne Zucker und erklärte mich wieder dazu bereit, mehr dafür zu bezahlen. Verstehst du? Ich wollte mehr Geld für einen Saft ohne Zucker ausgeben! Und wieder dasselbe. Ich tat als mache ich ein Selfie und beobachtete, wie der Typ ebenfalls Zucker hinein schaufelt. Ich hab’ wiederum gesagt, dass ich keinen Zucker in meinen Fruchtsaft mag und bin gegangen. Deshalb gibt es in meinem Fruchtsaft garantiert keinen Zucker, sondern nur pure Furcht." Wir bestätigten seine Abneigung gegen Zucker in Fruchtsäften, äußerten ebenfalls Unverständnis für diese Zuckerdummheit und tranken seinen wirklich köstlichen Saft.
Schließlich fragten wir ihn noch, ob der Weg hinter seinem Saftstand, auf den wir beim Aufstieg zwei Touristen mit Guide hinaufwandern sahen, auch hinunter zu den Teeplantagen und Gleisen führen würde. Er bestätigte dies. "Jedoch... er ist zwar nicht steil, aber wenn man ihn nicht kennt..." Da seine Mutter ebenfalls bald hinunter gehen würde, könnten wir ihr nachgehen, meinte er anschließend. Eine gut fünfzigjährige Frau, klein und gedrungen, schnappte das vorbereitete große Bündel an Brennholz, legte es auf die Tuchrolle auf ihrem Kopf und ging damit den Waldweg hinunter. Wir hinterher, zunächst den Steig über Steine und Wurzel entlang, dann zwischen Häuser und Gemüsebeete und schließlich an einem Weg zwischen Teeplantagen und wir kamen genau dort heraus, wo wir nach den Gleisen bei der ersten Abzweigung ganz nach den Anweisungen in dem Blog zuvor links gegangen waren. Nun kamen wir von der anderen Seite. Daher unsere Überzeugung: Über Umwege führen alle Wege immer irgendwohin, mit Glück auch zum angestrebten Ziel.