KubaWeise

I. Von gefährlichen Schlangen

Die gefährlichste Schlange auf Kuba heißt cola. Sie ist zu jeder Tages- und Nachtzeit in Havanna anzutreffen und bildet sich mit Vorliebe vor Perro-Caliente (also: Hot-Dog-)Ständen, vor Vertriebsstellen für Internet- und Telefonwertkarten, vor Kinos, Banken (inklusive Bankomaten), Geschäften und natürlich vor Ämtern. Die colas fressen Zeit und sind ausgesprochen nervtötend.

 

L@s Cuban@s sind im Gegensatz zu Mitteleuropäer_innen ausgezeichnete Schlangensteher_innen. Als Neuankömmling gilt es herauszufinden, wer die letzte Person in der Schlange ist, um sich entsprechend einreihen zu können. „¿Quien es el ultimo?“, oder noch kürzer „¿El ultimo?“ ist dabei die gängige Frage. Wer es geschlechtergerechter haben möchte kann auch nach der letzten Person – „¿La ultima persona?“ – fragen.

 

Um nicht mitunter stundenlang in der falschen Schlange zu stehen, lohnt es sich, seine (wenn auch bescheidenen) Spanischkenntnisse hervorzukramen und zu fragen, welche Schlange sich zu welchem Zweck gebildet hat, denn meistens gibt es mindestens zwei Schlangen. Vor der Vertriebsstelle für Internet- und Telefonwertkarten etwa steht eine Reihe Menschen für Telefonverträge, Rechnungsfragen etc. an, während die andere Reihe sich um die Wertkarten bemüht. „¿Esta cola es para comprar las tarjetas de navigación?“ wäre in diesem Fall eine angebrachte Fragemöglichkeit, oder ganz allgemein „¿Esta cola es para qué?“

Die Reihenfolge wird so penibel wie möglich eingehalten und versuchtes Vordrängen streng geahndet. Wer sich zu zweit oder zu dritt einen Schlangenplatz teilt, hat den Vorteil, zwischendurch Kaffee und Essen holen zu können. Auch ist es möglich, sich von anderen Personen in der cola vertreten zu lassen. Dies kann als Freundschaftsdienst unter Freund_innen, aber auch als bezahlte Dienstleistung in Anspruch genommen werden. Der Beruf der Schlangensteher_innen ist einer der Anfang der 2010er Jahre offiziell zugelassenen Berufe, zu denen auch die Feuerzeugreparateur_innen oder die Nägellackierer_innen gehören.

 


II. Taxi, Taxi!

 

Taxi Fahren ist auf Kuba eine mitunter komplizierte und teure Angelegenheit. Es gibt verschiedene Taxi-Arten, die sich durch ihre freien oder festgelegten Routen und vor allem durch ihre Fahrpreise unterscheiden. Sie sind in Städten ebenso unterwegs wie zwischen den Städten und machen in der Regel durch lautes Hupen auf sich aufmerksam. Hier ein kleiner Überblick über diese Spezies, die manchmal elegant durch die Straßen kreuzt, manchmal auch über Stock und Stein holpert und scheppert.

Privat-Taxis

 

Bei den Privat-Taxis bestimmt eine_r individuell das Fahrziel. Sie unterscheiden sich durch recht unterschiedliche Auto- und Preisklassen. Die berühmten alten US-Schlitten in La Habana sind die teuersten. Um bei offenem Verdeck in einem pinken oder knallgrünen Chevrolet den Malecón entlang gleiten zu können, muss eine an die 30 CUC (=Euro) ablegen. In der Preispyramide folgen den schön restaurierten, alten Autos die neueren, gelben Taxis, die an die Cabs in New York erinnern. Angeblich haben sie fixe, durchaus gehobene Preise, was, wie wir herausgefunden haben, nicht ganz den Tatsachen entspricht. Prinzipiell gilt es – auch bei den mittleren bis unteren Klassen der Privat-Taxis, den kleinen Ladas, die einmal glänzend rot lackiert, einmal verrostet und zerbeult durch La Habana fahren – vor dem Einsteigen nach dem Preis zu fragen und es lohnt sich immer, zu verhandeln. Für eine zehnminütige, also in etwa acht bis zehn Kilometer weite Fahrt sind 5 CUC (= Euro) ein realistischer und anzustrebender Preis. Bei längeren Fahrten in der Stadt ist Verhandlungsgeschick gefragt – dabei kann eine_r sich auch folgendes vor Augen halten:

 

Taxi-Fahrer_innen, vor allem von Privat-Taxis, gehören zu den Bestverdiener_innen auf Kuba. Trotz hoher Steuern und extrem hoher Anschaffungskosten – ein alter Lada hat hier einen Marktwert von 10.000 Euro –, liegt der Monatsverdienst von Taxifahrer_innen oft bei umgerechnet mehreren hundert Euro. Zum Vergleich: Lehrer_innen verdienen knappe 25 Euro im Monat.

 

Maquinas

 

Wenn eine_r auf die Preisverhandlungen mit den Privat-Taxi-Fahrer_innen verzichten möchte, gibt es die Möglichkeit, sich mit den so genannten Maquinas durch die Stadt zu bewegen. Das sind meistens auch schöne alte, allerdings nicht so perfekt restaurierte Autos, die auf festgelegten Routen fahren. Eine_r muss also wissen, wo sie_er seine Maquina aufhalten kann, um zu einem bestimmten Ort zu gelangen. Dass eine_r mitfahren möchte wird den Lenker_innen durch Handzeichen signalisiert. An Halte-Stellen, an denen Maquinas mit unterschiedlichen Routen vorbei fahren, werden verschiedenen Handzeichen verwendet: Daumen werden nach unten, nach oben, nach links oder nach rechts gestreckt, um die Fahrrichtung anzeigen und das Auto mit der dem Fahrziel entsprechenden Route aufhalten zu können. Eine Fahrt mit der Maquina innerhalb der Stadt kostet – egal wie weit und wie lange – 10 CUP, zehn Pesos Cubanos, das sind umgerechnet weniger als 50 Eurocent.

 

Mit den Maquinas zu fahren ist also deutlich preisgünstiger als mit den Privat-Taxis, hat allerdings auch seine Tücken: Die Zeit, wie lange eine_r von einem Ort zum anderen braucht, ist bei Maquina-Fahrten nicht so einfach abzuschätzen. Die Autos sind oft voll und haben keine regelmäßigen Fahrpläne. Eine_r kann mitunter also lange darauf warten, in die entsprechende Maquina zu steigen. Eine andere Gefahr lauert auf Tourist_innen, die sich im Maquina Fahren üben: Wenn sie als erste einsteigen, kann es vorkommen, dass sich die Maquina plötzlich in ein Privat-Taxi verwandelt, ohne weitere Fahrgäste* aufzunehmen durch die Straßen braust und der oder die Fahrer_in am Ende der Fahrt 10 CUC (= Euro) statt 10 Pesos Cubanos, also das Fünfundzwanzigfache des regulären Fahrpreises verlangt. In so einer Situation gelte es, hart zu bleiben, auf den regulären Preis zu bestehen und im Notfall auch mit der Polizei zu drohen – so haben es uns kubanische Freund_innen geraten, die wirklich gar nichts mit der Polizei am Hut haben.

 

Colectivos

 

Die so genannten Colectivos – Kollektiv-Taxis – verkehren zwischen den Städten. An den Busbahnhöfen, in kleineren Städten auch auf den Plätzen werden vor allem Tourist_innen angesprochen, ob sie nicht mit dem Taxi in die eine oder andere Stadt fahren möchten. Dabei gilt es, die Autos voll zu bekommen, also genügend Menschen für eine für die Betreiber_innen ausgesprochen rentable Fahrt zu gewinnen. Die Fahrpreise orientieren sich zumeist an den Preisen der Viazul-Bus-Tickets (Viazul ist das einzige Busunternehmen auf Kuba, mit dem auch Ausländer_innen reisen können).

 

Die Fahrten mit den Colectivos haben Vor- und Nachteile: Sie sind zwar nicht günstiger als die Busse, meistens aber schneller. Ob sie auch bequemer sind, hängt sowohl von der Konstellation der kleine Reisgruppe als auch von der Art des Autos ab. Als Dreier- oder Vierer-Grüppchen von Havanna nach Viñales oder nach Trinidad zu fahren, ist sicher empfehlenswert. Anders sieht es aus, wenn eine_r oder zwei von Baracoa nach Holguín fahren möchte_n: In diesem Fall haben die Colectivos eine Monopolstellung, da die einzige Busverbindung von und nach Baracoa über Santiago de Cuba führt und dementsprechend umständlich ist. Bei diesen Colectivos handelt es sich um alte Jeeps, die vollgestopft werden mit Fahrgästen*, die pro Kopf und Nase 25 CUC (= Euro) zahlen. Von Baracoa geht es in die circa zehn Kilometer entfernte kleine Stadt Moa und dann, nach dem Umstieg in einen anderen Jeep, weiter nach Holguín. Die Strecke ist 160 Kilometer lang und die Fahrt dauert insgesamt vier einhalb Stunden, die sich ziehen, wenn eine_r einpfercht zwischen sechs bis acht anderen Menschen sitzt und über unbefestigte Straßen holpert. Auch an diesen Fahrten verdienen die Betreiber_innen viel Geld: 150 Euro sind es pro Fahrt, wenn in den Jeep sechs Menschen geschlichtet werden.

 

Nachsatz

 

Die Benzinpreise auf Kuba sind übrigens genauso hoch wie in Europa, was einerseits die relativ hohen Fahrpreise zumindest ansatzweise erklärt, die niedrigen Preise der Maquinas allerdings zu einem Rätsel werden lässt. Auf Kubas Straßen gibt es dementsprechend auch vorwiegend professionellen Autoverkehr. Individualverkehr wird in kleinere Städten über Fahrräder und Kutschen, in Havanna auch zunehmend über Elektro-Roller abgewickelt, die beinahe lautlos durch die Straßen gleiten. Sie sind nicht so schnittig wie die alten Straßenkreuzer, nicht so nostalgisch wie die kleinen Lada und bunten VW-Käfer, aber eine sehr wohltuende Alternative zu den krachenden und stinkenden Automobilen.